09.09.2017 - Im grössten fjordsystem der erde
Es ist eine Herausforderung, im Nachhinein die Tage, Positionen und Erlebnisse auseinander zu halten. Unser Tag begann mit langsamer Fahrt durch die einsamen Weiten des Fjordes. Man muss sich gelegentlich kneifen, dass dies hier alles Realität sein soll. Das man auf einem komfortablen Schiff in einer Gegend unterwegs ist, die nahezu unberührt ist von der menschlichen Existenz auf dem Planeten. An der, den Klimawandel mal außen vor gelassen, bislang der menschliche Einfluss fast völlig vorüber gegangen ist. An vielen Stellen dieses gigantischen Fjordes mit seinen zerklüfteten Ufern hat mit Sicherheit noch nie ein Mensch seinen Fußabdruck hinterlassen. Ein seltsames Gefühl. Und unser Tag sollte zwei Anlandungen enthalten, um sich selbst ein Bild dieses unfassbaren und kaum in Worte zu kleidenden Ortes zu machen. Den Anfang machte die Jägerhütte, die sich quasi im Nirgendwo befindet. Sie dient den Jägern während des Sommers als sichere Unterkunft, von der sie zu ihren Jagdzügen starten, die mehrere Tage dauern können.
Von der Hütte aus gesehen hat man ein beeindruckendes Panorama in den Fjord. Die Hütte ist sehr stabil gebaut und dennoch lassen die äußeren Anzeichen gut erkennen, dass hier zumindest außerhalb des kurzen Sommers andere Kräfte wirken. Die Hüte ist spartanisch eingerichtet und tut ihren Zweck. Aber für die Aussicht nimmt man das wohl in Kauf ;-)
Es ist eine faszinierende Landschaft, so unberührt und wild. So friedlich einerseits und doch für den Menschen eine Umgebung, in der er ohne Schutz relativ schnell an seine Grenzen kommt. Es muss faszinierend sein, hier ein paar Tage zubringen zu können.
Wie immer, wenn in solchen Gegenden ein Landgang erfolgt, ist die gesamte Expeditionscrew bewaffnet. Die Expeditionscrew geht auch immer als erstes von Bord, sichert das Gelände und erst dann dürfen die Passagiere an Land. Und trotzdem besteht immer die Möglichkeit, dass ein Eisbär auftauchen könnte. Die Tiere sind außerordentlich gerissene Jäger und können trotz gründlicher Geländeaufklärung irgendwo lauern und aus dem Nichts auftauchen. Niemals aber möchte so etwas jemand riskieren. Die Waffen sind für den unausweichlichen Notfall, wenn wirklich alle Strenge reißen. Oberstes Ziel und Grundregel ist, jedes Zusammentreffen von vorne herein zu vermeiden.
Die Vegetation Grönlands ist spartanisch, aber deswegen keineswegs langweilig. Wir waren sehr beeindruckt, das hätten wir uns so nicht vorgestellt. Auf dem Bild ist das allgegenwärtige Wollgras zu sehen, dass sich dem stets vom Eisschild Grönlands herabwehenden Wind entgegenstellt.
Während der Fahrt durch den endlosen Fjord begegnen uns immer größere Eisberge, je länger und tiefer in den Fjord die Fahrt geht. Die Farben und Formen wechseln sich ab, das tief schillernde Blau wird durch gleißendes Weiß und Schmutz ergänzt, der mit dem Eisbrocken auf dem Gletscher zu Tal gerutscht ist. Man muss sich das immer wieder vor Augen halten. Das, was wir als Eisberg sehen, ist Schnee, der vor zig hundert, womöglich tausend Jahren gefallen ist und mit der Zeit Richtung Meer gerutscht ist und dabei immer mehr zusammengepresst worden ist. Aus diesem Eisberg, wo auch immer seine Reise hingeht, wird irgendwann Wasser, dass sich in den Kreislauf wieder einreiht.
Das Licht an diesem Tag ist schwierig, die Wolkendecke produziert ein seltsam milchiges, ungewöhnlich bläuliches Licht. Und während dessen jagt ein optischer Leckerbissen den nächsten. Es gibt keine Pause, das Hirn und die Augen sind permanent beschäftigt und die Angst, irgendwas zu verpassen, ist mehr als gerechtfertigt. Auf dem Bild im Hintergrund ist einer der zahlreichen Gletscher zu erkennen, der langsam aber sicher von oben herab in den Fjord fließt.
Soweit der Blick auch schweift, überall findet er etwas Neues. Beeindruckendes oder schönes. Das an Land gehen mit dem Polarcircle-Boot ist unkompliziert, auch der kleine Weltenentdecker hat kein Problem und guckt neugierig auf die faszinierende Welt da draußen.
Durch das Expeditionsteam wurde ein längerer Rundweg absteckt, der durch rote Fähnchen markiert wird. Im Großen und Ganzen halten sich die Leute daran, zumindest muss das Expeditionsteam nicht eingreifen und jemanden auf "den richtigen Weg" schicken. An die Landgänge kann man sich schnell gewöhnen, sie gehen leider gefühlt viel zu schnell vorbei. So richtig Zeit zum Verweilen, genießen und aufsaugen hat man nicht. Der Aufenthalt ist meistens maximal 1h bis 90 Minuten, weil ja auch nicht alle gleichzeitig zum Schiff zurück kommen können, sondern die Bootsfahrten ja auch koordiniert werden müssen.
Der Røde Fjord war eines der nächsten Ziele, die unsere Fram anlief. Auf der nebenstehenden Karte ist der Røde Fjord eingezeichnet. Oben auf dem Bild kann man gut die Sandsteinstruktur erkennen, die gnadenlos der Verwitterung preisgegeben ist.
Das Besondere hier, wie uns eine Lektorin (Geologin) erklärte, ist die Art des Steines. Es handelt sich um Sandstein, ein einzelner Felsenmonolith aus Sandstein. Während rundherum wie auf den Bildern auch ansatzweise erkennbar, nirgendwo Sandstein zu finden ist. Es gibt derzeit keine Theorie, wie das zu erklären ist. Sandstein besteht aus ehemaligem Meeresboden, also Sedimentablagerungen. Wie diese einsame Sandsteininsel inmitten des aus massivem Gestein bestehenden Grönlands gekommen ist, bleibt ein geologisches Rätsel. Ein sehr sehenswertes Rätsel. Und als würde das Rot nicht schon reichen, stauen sich an dem Felsen aus dem Fjord manche Eisberge, die munter durcheinander gestapelt festhängen und dort wohl nicht mehr wegkommen.
Ein Part der Reise sind Ausflüge mit Kayaks oder Speedbooten, auf denen Sitze in Fahrtrichtung angeordnet sind. Diese sind extra kostenpflichtig und vergleichsweise teuer. Der Hauptnachteil ist, dass man nicht den Tag selbst bestimmen kann, sondern nach Liste abgearbeitet wird, wann man dran ist. Rudi hatte eine solche Fahrt auch gebucht und gehörte zu den Glücklichen, erst an einem späteren Tag dran zu kommen. An der besten Stelle, die man sich dafür vorstellen kann. Später dazu mehr. Der Tag endete mit dem folgenden Bild weit nach Mitternacht. Was für eine Show.