08.09.2017 - nordlicht, Ittoqqortoormiit und die ersten eisberge

Mit zwei Mitreisenden als Gesellschaft war auch der Vorabend wieder am Heck des Schiffes zu Ende gegangen und ging in die dunkle Nacht über. Zum Glück, muss man sagen. Denn als hätten man unsere Wünsche erhört, bekamen wir das erste Nordlicht zu sehen. Für Rudi das erste Polarlicht seines Lebens, während ich aus dem Flieger gelegentlich schon mal das Vergnügen hatte. Es währte nicht lange und war auch nur am Horizont hinter den Wolken als kräftig leuchtendes Band am Himmel zu erkennen, aber unstreitbar Polarlicht. Wieder ein Haken auf der Bucket List, selbst wenn nichts weiter mehr kommen sollte auf dieser Reise.

Links auf dem Bild, auch eine Premiere, der erste Eisberg der Reise und meines Lebens. Einfach so tauchte er aus dem dicken Nebel, der um die Jahreszeit nahezu jede Nacht die Grönlandstraße bedeckt. Ein Tafeleisberg auf dem Weg nach Süden. Ein magischer Moment. Man konnte es an der Luft spüren, am Licht. Wir kamen endlich nach Grönland und Grönland kam uns in Form von Eisbergen schon entgegen.

Die Szenerie ist mit Worten kaum zu beschreiben. Die Sonne strahlt den Nebel an und der lichtet sich dank der zugeführten Wärme. Zwischenzeitlich sind immer wieder dichte Nebelbänke, durch die sich die Fram den Weg bahnt. Belohnt mit Regenbögen, die zum Greifen nah scheinen. Und am Horizont sind die ersten Berge zu erkennen. Wir haben tatsächlich Grönland erreicht. Wir sind endlich am Ziel.

Schon wenig später hatten wir die Nebelgegend hinter uns gelassen und die kristallklare Luft wurde von einer intensiven, recht tief stehenden Sonne durchflutet. Das produzierte unbeschreiblich schöne Farben, die es so nur im Norden gibt. Wer das noch nicht gesehen, kann das nicht verstehen. Dieses Licht, dass es nur in diesen Breitengraden gibt, ist Balsam für die Augen. Man muss es gesehen haben. Wenig später kam dann der nächste Eisberg in Sicht, den die Sonne in ein gigantisches Farbenspiel aus Blau und Weiß tauchte.

Und dann war es auch schon bald soweit. Wir erreichten Ittoqqortoormiit, einen ohne Übung kaum korrekt auszusprechenden Ort. In der Sprache der Einwohner bedeutet das übrigens nichts anderes als "Scoresbysund", denn an dessen Mündung liegt das Städtchen. Nun stand also unser erster Landgang unmittelbar bevor. Das erste Mal aussteigen in die Polarcircelboote. Henry hatte seine eigene Schwimmweste erhalten und spielte wunderbar mit. Es verging noch etwas Zeit, bis wir endlich ins Boot durften und dann, nach einer kurzen Überfahrt mit klopfenden Herzen erreichten wir Grönland. Wir standen in Ittoqqortoormiit auf grönländischem Boden und das bei wie herbeigezauberten Wetter. Das war definitiv ein Moment fürs Leben, dieses unglaubliche Land mit seinen eigenen Füßen betreten zu dürfen.

Ittoqqortoormiit ("Ittokootoormitt" gesprochen) ist natürlich keine normale Stadt im Sinne, wie wir das kennen. Es ist vielmehr ein Dorf, dass in ziemlicher Abgeschiedenheit weit weg von jeder Zivilisation ist. Hier kennt man sich, hier hilft man sich und hier kann man vor allen Problemen, so schwer sie auch wiegen, nicht davon laufen.

Hier in Ittoqqortoormiit sollten wir unseren Guide Nils für die Reise aufnehmen. Wie wir in einem späteren, sehr lustigen Gespräch herausfanden, arbeitete Nils auch als Polizist im Ort. Und auch dieser verschlafene Ort kämpft mit Problemen wie Perspektivlosigkeit, Alkoholmissbrauch und wer denkt, es gibt keine Kriminalität... Der irrt sich.

Erst spät im Vergleich zum Rest Europas, zu dem geografisch Grönland gar nicht gehört, kam die Christiansierung hier erst spät an. Dennoch schmückt den Ort eine kleine, aber feine Holzkirche. Sie ist typisch skandinavisch schlicht und zurückhaltend und passt damit sehr gut in den Ort.

Auf der Karte nebenan kann man gut erkennen, dass Ittoqqortoormiit direkt am Eingang des Scoresbysund liegt. Dem größten Fjordsystem der Erde. Es ist riesig und trotzdem den meisten Menschen unbekannt, weil es auf Karten aufgrund der riesigen Dimensionen Grönland nicht ins Gewicht fällt. Er verzweigt sich in unzählige Arme, mit teilweise sehr produktiven Gletschern, die ihr Eis in den Fjord geben. In diesem Fjord sollte die Fram nun fünf Tage verweilen.

So fürchterlich viel machen kann man in Ittoqqortoormiit natürlich nicht. Aber es ist absolut spannend, diese andere Welt zu erkunden und zu Fuss durch den Ort zu gehen. Manchmal kreuzen Schlittenhunde den Weg, die unbedingt gestreichelt werden wollen. Oder man sieht ein Eisbärenfell, dass zum Trocknen aufgehängt ist. Die Einwohner als eigentliche Besitzer des Landes und Jäger haben das Recht, eine bestimmte Zahl von Eisbären zu jagen. Man muss das von außen betrachtet nicht gut finden. An der zurück gehenden Population der Eisbären haben diese Menschen jedenfalls die geringste Schuld.

Der Spielplatztester kam auch noch zu seinem Einsatz und am Helipad, wo als ein Versorgungsstrang Hubschrauber auf dem Berg landen können, genossen wir die fantastische Aussicht auf die nächste Bucht hinter Ittoqqortoormiit. Zusammen mit Coloura natürlich ;-)

Auf dem Weg zum Helipad findet man wohl einen der seltsamsten Fußballplätze der Welt. Inmitten dieser kargen, von den Elementen gezeichneten Landschaft findet sich ein grünes Kunstrasenfeld, dass einen völlig verrückten Kontrast bietet.

Bald hieß es schon wieder Abschied nehmen von Ittoqqortoormiit. Die abschließende Fahrt mit den Polarcircelbooten sollte schnell zu einer schönen Gewohnheit werden. Im feinsten Abendlicht ging es zurück zum Schiff, dass seine Boardingplattform ausgefahren hatte. Hier legen die Boote an, um die Passagiere aussteigen zu lassen. Im Anschluss werden die Boote mit einem Kran in die hintere Luke geladen und verstaut. So eine Expedition hält in jedem Fall, was sie verspricht. Wir ließen den Tag ausklingen und waren voller Neugier, was uns in diesem einsamen, unentdeckten Landstrich noch alles erwarten würde.