Tag 7 - Akureyri, Island
Akureyri liegt im Norden Islands und von hier aus ist es zum 66° Breitengrad, der Polarkreis, nicht mehr weit. Akureyri liegt auf rund 65,7° N ebenfalls in einem langgezogenen Fjord südlich der eigentlichen Küste. Der Tag heute versprach aufregend zu werden. Wie aufregend, das hatten wir vorher gar nicht gedacht. Es ist erstaunlich, wieviel Erlebnisse, Abenteuer und Ziele man binnen eines so kurz geglaubten Tages umsetzen kann. Auf jeden Fall war das der dicht gepackteste Tag dieser Reise und entsprechend anstrengend. Aber auch wunderbar, ein Tag, der sich besonders in die Erinnerung gesetzt hat.
Unser Schiff lag am nebenan bezeichneten Punkt. Also sehr nahe zum Zentrum, wobei das in Akureyri auch gar nicht anders geht. Unser eigentlicher und bis zu diesem Zeitpunkt einziger Plan war, in Akureyri ein Fahrzeug zu mieten und damit Richtung Norden nach Haugannes zu fahren. Das liegt 30min oder 35km immer auf der Westseite des Fjordes entlang nach Norden. Dort wollten wir unseren Whalewatching-Ausflug antreten, den wir am Vortag aus Isafjördur gebucht hatten. Dafür mussten wir aber erst einmal unser Auto kriegen, was einen ziemlichen Fußmarsch zur Folge hatte. Wir hätten auch am Anlieger buchen können, dort haben alle Vermieter eine Station. Nur es funktionierte nicht, so dass wir dann im "Stadtbüro" unser Auto bekamen - nach ca. einer halben Stunde Fußmarsch.
Wir hatten die Tour bei der Firma "Whale Whatching Haugannes" gebucht. Wir hatten die Adresse aus einem Flyer und sie schien uns sympatisch und seriös. Wir hätten auch über Aida von Akureyri aus buchen können, aber zum Einen ist das wesentlich teurer und zum anderen sind die Touren zwar gleich lang, haben aber aufgrund der Bootsfahrzeiten viel weniger Zeit bei den Walen. Und die Wale die große Passion von Rudi sind, musste es möglichst viel Zeit mit ihnen sein. Nach der schönen Fahrt ging es auch gleich ans Anziehen, alle nötigen Klamotten bekommt man gestellt. Also Überlebensanzüge, Handschuhe. Auch ein Imbiss und Kaffee werden an Bord gereicht. Und dann gehts auf den alten Fischkutter, der nun die Menschen zu den Walen bringt. Die Wale sind im Fjord unterwegs um zu fressen, zu rasten und auch zu spielen - nach unserer Lesart. Und wenn am Bug des Schiffes soviel Aufregung herrscht wie nebenstehend... ja dann sind die Wale nicht weit. Und das geht von Haugannes außerordentlich schnell.
Und während wir längst am Gucken, Staunen und Freuen waren, kamen dann so langsam auch die Boote mit den AIDA-Gästen aus Akureyri. Die hatten noch dazu den Nachteil, anders als wir sehr hoch zu sein. Unser Fischkutter erlaubte Bilder nahezu von der Wasserlinie, während die Katamarane an Deck mindestens 2,5m über der Wasserlinie lagen. Das wirkt sich immens auf das Erlebnis und auch auf die Perspektive der Fotos aus. Unser Fazit: Alles richtig gemacht. Unser Sohn verschlief die Tour in seinem geliebten "Bondo" und ließ sich fast gar nicht stören. Na gut. Fast. Aber dafür ist ja Mama da :-)
Und da waren sie, die Kameraden. Eine kleine Herde von Buckelwalen zog seine Bahnen im Fjord und nahm von uns kaum bis gar keine Notiz. Die Wale tauchten viel und längere Strecken, so dass wir häufiger mal einen Positionswechsel vornehmen mussten. Zum Spielen oder mit dem Boot interagieren hatten sie heute keine Lust. Dennoch hatten wir einige sehr nahe Begegnungen und so dicht an einem Atemloch eines Wals wie hier war ich noch nie.
Die Zeit verging wie im Fluge, oder eben, wie beim Whale Watching. Viel zu schnell verflog die Zeit und der Ausflug führte noch als Erlebnis das Dorschangeln. Wir verlegten zu einer Position, wer wollte, bekam eine Angel und konnte angeln. Wobei "angeln" übertrieben ist, denn dazu gehört eigentlich Glück. Das brauchte man hier nicht, die Dorsche konnten gar nicht schnell genug an den Haken gehen. Wer wollte, konnte sich seinen Fang gleich filletieren lassen und mitnehmen. Das konnten wir leider nicht.
Tja. Theoretisch könnte der Tag hier mit der Rückfahrt zur AIDA enden. Tolle Dinge gesehen, eine schöne Autofahrt gemacht, Wale gesehen und Boot gefahren. Aber... Wir recherchierten vor Ort noch bei der Walfirma im WLAN die Optionen und kamen auf die Überlegung, die anderen Sehenswürdigkeiten noch mitzunehmen. Das wären in erreichbarer Nähe von Akureyri der bekannte Goðafoss (Goldfall) und der See Myvatn (Mückensee). Die Fahrzeit vom Schiff zum Godafoss betrug ungefähr 35min, also eine Stunde von Haugannes. Dazu die Fahrzeit zum Myvatn vom Godafoss aus von nochmal 30min. Machte eine addierte Hinfahrzeit von 90min und eine Rückfahrzeit von einer Stunde. Also zweieinhalb Stunden. Da wir noch vier Stunden Luft hatten, hatten wir also 90min Zeit für Fotostops und kurzes Staunen und Gucken.
Gesagt, getan ;-)
Die erste Station war der Goðafoss, der Götterwasserfall. Den planten wir aber erst für die Rückfahrt. Denn wir hatten, soviel Überlegung muss immer sein, einen Plan. Wir fahren soweit, bis wir bei gleicher Rückfahrzeit genau 70 Minuten Zeit über haben. Damit war sichergestellt, dass wir uns nicht irgendwo verzetteln und dann die Rückfahrt nicht schaffen.
Die zweite Station und das Ende der Fahrt war am Myvatn vorbei der "Blue Lake" in der geothermalen Zone des Myvatn. Das war der Punkt, an dem das gesetzte Fahrzeitlimit + 70 Minuten Guck -und Fotozeit erreicht war. Das hat sich aber wirklich gelohnt, denn der Blue Lake ist echt ein absoluter Hingucker und der Name ist Programm.
Der Goðafoss ist ein lohnendes Ziel. Man kann gut parken, er liegt direkt an der Straße und vor allem kann man ihn an allen Seiten beklettern und bestaunen. So bleibt für alle Fotografen und Stauner genügend Raum und Platz. Das tolle an der Fahrt dorthin ist, dass wie immer in Island auch der Weg das Ziel ist. Man wird wieder und wieder mit Motiven, tollen Aussichten und herrlichen Augenblicken belohnt.
Unsere Zeitplanung war genau aufgegangen und hatte gut funktioniert, inklusive noch vorhandener Reserven. Als wir durch den Tunnel vom Myvatn aus wieder im Fjord ankamen, konnten wir auf der anderen Seite die AIDA liegen sehen und auf uns warten.
Zum Glück musste sie nicht "warten", wir hatten uns kurzfristig das Gefühl vorgestellt, von dieser Seite aus der AIDA beim Ablegen zuschauen zu müssen. Ab jetzt würde das zu einem schier unlösbaren Problem werden. Von Reykjavik, den Orkneys oder auch Isafjördur wäre das alles ein lösbares wenn auch stressiges Ding gewesen.
Ab jetzt war aber Kurs direkt Richtung Nord, nämlich Spitzbergen angesagt. Wer hier das Schiff verpasst, hat dann schon etwas größere Probleme. Und das wäre gerade an diesem Tag sehr schade gewesen, hätten wir doch das folgende Schauspiel verpasst. Sicherlich denkt unser Kapitän, Marc-Dominik Tidow manchmal an diesen Tag zurück. Die folgende Aktion hat sicherlich ein paar durchgeschwitzte Hemden und ein paar Flüche gekostet. Was war passiert?
Die AIDA wollte ablegen, pünktlich. Wie man auf dem Bild vielleicht erkennen kann, lag sie quer im Fjord an der Pier. Hinter der Pier ist der Fjord Richtung Meer, hinter uns ist der Fjord. Der Wettergott hatte für die AIDA heute eine Überraschung parat. Aus den Bergen floß sehr kalte Luft in den Fjord herab und sorgte als Fallwind für sehr starken Wind. Der traf die AIDA genau quer und drückte sie in Richtung Pier. Die Bugstrahlruder hatten also schon damit alle Hände voll zu tun, die AIDA gegen den Wind von der Pier wegzustemmen. Leider herrschte gerade ablaufendes Wasser, also einsetzende Ebbe. Dabei fließt das Wasser aus der Bucht in Richtung Meer und erzeugt den sogenannten Gezeitenstrom. Und da zwischen dem Meer, wo der Strom hinfloß - eigentlich die richtige Richtung - ja noch die Pier lag, sorgte der Gezeitenstrom auch noch dafür, die AIDA an die Pier zu drücken. Es addierten sich also zwei enorm starke Kräfte, die das Schiff gegen die Pier drückten und gegen die die Bugstrahlruder und auch die Schiffsmaschine nahezu machtlos waren.
Es dauerte sage und schreibe mehr als eine Stunde, um die ca. 5m Abstand zwischen Pier und Schiff zu bringen. Der Kapitän hatte dazu eine Ansage gemacht und eingeräumt, dass sie ganz schön kämpfen mussten. Das Ziel war dabei, das Heck von der Pier soweit rum zu kriegen, dass der Gezeitenstrom hinter dem Schiff an die Pier anströmt und das Schiff damit hinten rumzieht. Dabei galt aber zu beachten, dass das Schiff vorne nicht gegen die Pier knallt und ich möchte behaupten, dass war zwischenzeitlich wesentlich knapper als dem Kapitän lieb war. Nachdem das geschafft war, dürfte der ein Stoßgebet gen Himmel geschickt haben. Gut gemacht, Captain!
Der Tag war aber noch immer nicht vorbei ;-) Ging es dank des bereits beschriebenen Windes bei herrlichem Sonnenschein los, änderte sich das bei der Fahrt gen Norden. Plötzlich sorgten dicke Wolken für ein unglaubliches Lichterspiel mit und an den Bergen. Die Berge waren wolkenfrei, während drumherum dicke Wolken standen. Also tauchte die Sonne die Berge in herrliches Licht, dass mit den kontrastreichen Wolken unglaublich harmonierte. Ein Panorama dieser Szenerie brachte mir einen guten Platz bei einem Fotowettbewerb ein. Und nein ;-) Auch das war noch nicht alles an diesem intensiven Tag. Wie es sich gehört, wurde die Überquerung des Polarkreises auf 66° 33' 55" mit einer Polarkreisparty auf dem Pooldeck gefeiert. Das Schiff tutete und mein GPS bestätigte exakt, dass die Brücke genau den Punkt getroffen hatte. Nach der Party ging dieser Wahnsinnstag zu Ende und verdient, als der wohl intensivste Tag dieser Reise in der Erinnerung zu verbleiben.